Seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 erlitten Verbraucher enorme Schäden auf Finanzmärkten in der Europäischen Union. Um den durch die Krise aufgezeigten regulatorischen Schwächen entgegenzutreten, legte die Europäische Kommission mehrere Legislativvorschläge vor, die den Anforderungen der komplexen Marktgegebenheiten beikommen sollen. Neben der zu begrüßenden Verbesserung des die Finanzmärkte regulierenden Rechtsrahmens ist das Augenmerkt jedoch ebenso darauf zu legen, dass Verbraucher im Schadensfall ihre Rechte effektiv durchsetzen und von den ursächlichen Marktteilnehmern Schadenersatz einklagen können. Im Falle von auf Finanzmärkten häufig eintretenden Massen- bzw Streuschäden erscheint das traditionelle Rechtsinstitut individueller Rechtsbehelfe für die effektive Durchsetzung von Schadenersatzklagen nur bedingt geeignet. Aufgrund des für den einzelnen Geschädigten meist negativen Kosten-Nutzen-Kalküls – das sich aus dem Verhältnis der relativ geringen Schadenssumme und der dieser gegenüberstehenden nicht unbeachtlichen potentiellen Prozesskosten ergibt –, verzichten viele Verbraucher darauf, den Rechtsweg zu beschreiten. Das Rechtsinstrument des kollektiven Rechtsschutzes eröffnet hier Möglichkeiten, dem zuungunsten der auf Finanzmärkten geschädigten Verbraucher bestehenden Durchsetzungsdefizit entgegenzutreten. Vor diesem Hintergrund befasst sich der vorliegende Artikel mit dem Schutz von Verbraucherrechten durch kollektive Rechtsdurchsetzung. Nach einer einleitenden Darstellung der Schwächen individueller Rechtsbehelfe für auf Finanzmärkten geschädigte Verbraucher gibt der Artikel einen Überblick über verschiedene Modelle kollektiver Rechtsdurchsetzung und beleuchtet die bisher auf Unionsebene gesetzten Initiativen zur Einführung kollektiven Rechtsschutzes. Im Anschluss folgt eine Analyse der Zuständigkeitsbestimmung für nationale kollektive Rechtsdurchsetzungsverfahren nach der Brüssel I VO. Abschließend werden das niederländische Modell kollektiver Rechtsdurchsetzung nach dem WCAM und das deutsche Modell nach dem KapMuG dargestellt, um zu zeigen, wie die Theorie in der Praxis ausgestaltet sein und angewandt werden kann. Die Autorin vertritt die Ansicht, dass es wünschenswert wäre, langfristig in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union kollektiven Rechtsschutz auf der Basis einheitlicher unionsrechtlicher Standards zur Verfügung zu stellen. Zwischenzeitlich wäre es angezeigt, die Brüssel I VO durch die Einführung eines eigens auf kollektive Rechtsschutzmechanismen abgestimmten Gerichtsstands abzuändern.
Journal of European Consumer and Market Law